Die neue Konjunkturprognose des Ifo-Instituts ist da und diese ist überraschend optimistisch: Die deutsche Wirtschaft soll im laufenden Jahr gerade mal um 6,6 Prozent schrumpfen und soll in 2021 von diesem niedrigeren Niveau aus wieder um 10,2 Prozent wachsen. Insgesamt wäre das – trotz Corona-Krise – ein Plus von 2,9 Prozent. Die Grundlage für diese Prognose ist eine Umfrage unter Unternehmen vom Mai. “Sie halten im Schnitt eine Normalisierung ihrer eigenen Geschäftslage innerhalb von neun Monaten für den wahrscheinlichsten Fall”, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturprognosen.
Transport und Logistik erholen sich überdurchschnittlich schnell
Bezogen auf die Transport- und Logistikbranche soll es acht bis neun Monate dauern, bis sich die Lage wieder normalisiert. Bei besonders gutem Verlauf könnte es sogar schon im Herbst so weit sein, im schlechten Fall erst im Sommer 2021. Am schnellsten dürfte es im Bereich der Kurier-, Express und Paketdienste (KEP) gehen, während es bei den LKW-Speditionen deutlich länger dauern könnte. Diese Differenzierung verwundert nicht, konnten doch die KEP-Dienstleister von dem erhöhten Online-Handelsaufkommen während der Corona-Krise sogar profitieren.
In den meisten Branchen gaben die Firmen an, dass eine Normalisierung ihres Geschäfts in acht bis neun Monaten am wahrscheinlichsten sei. Am längsten dauern soll die Erholung in der Luftfahrt mit 16 Monaten. Aber auch die für viele Logistiksegmente wichtige Automobilbranche geht von einer überdurchschnittlich langen Dauer aus. Vermutet werden hier zwölf Monate, im schlechtesten Fall könnte es aber auch mehr als zwei Jahre dauern.
Verschiedene Turnaround-Szenarien
Die Analysten erwarten für die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal einen kräftigen Einbruch um 12,4 Prozent. Sie rechnen damit, dass sich die Lage bis Mitte nächsten Jahres deutlich verbessern werde. “Erst dann werden wieder so viele Waren und Dienstleistungen produziert wie in einer Situation ohne Corona-Krise”, fügt Wollmershäuser hinzu. Im besten Fall geben die Unternehmen an, dass die Rückkehr zur Normalität durchschnittlich nur fünf Monate dauern könnte. Dann würde die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr nur um 3,9 Prozent schrumpfen, und das Wachstum im nächsten Jahr läge bei 7,4 Prozent (Saldo: 3,2 Prozent). Im schlechtesten Fall mit einer durchschnittlichen Normalisierungsdauer von 16 Monaten würde die deutsche Wirtschaft laut Ifo-Institut in diesem Jahr um 9,3 Prozent schrumpfen und im kommenden Jahr um 9,5 Prozent wachsen (Saldo: -0,7 Prozent). Die Erholung würde sich dann bis weit in das Jahr 2022 hinziehen.
Während dem Lockdown dürfte die durchschnittliche Wirtschaftsleistung laut Ifo-Institut um etwa 17 Prozent geschrumpft sein. In die Schätzungen flossen die Produktions-, Umsatz- und Außenhandelsstatistik für den Monat März sowie die detaillierten Ergebnisse der Wirtschaftsleistung für das erste Quartal ein. Für die Vorhersage des konjunkturellen Verlaufs im Sommerhalbjahr berücksichtigten die Analysten die Ergebnisse der Ifo-Konjunkturumfrage aus dem Mai und den kräftigen Einbruch der Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe im März. Trotz gestiegener Geschäftserwartungen der Unternehmen blieb die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage unverändert schlecht; in der Industrie ging der entsprechende Indikator sogar ein weiteres Mal kräftig zurück.
Die optimistischen Annahmen des Ifo-Instituts
Die neue Vorhersage wurde unter der Annahme erstellt, dass die weitere Ausbreitung des Corona-Virus in den kommenden Monaten genauso ausbleibt wie eine zweite Infektionswelle. Ausgeschlossen wurde zudem eine Insolvenzwelle, sowohl in Deutschland als auch in dessen Beschaffungs- und Absatzmärkten, die den Analysten zufolge zu Verwerfungen im Finanzsystem führen könnte.
Spedition SPEWIE sieht die konjunkturelle Lage kritischer
Simon Wiesholler, Geschäftsführer der SPEWIE Spedition Wiesholler GmbH aus Holzkirchen bei München, möchte Herrn Wollmershäuser und dessen Optimismus nicht zustimmen. Nach seiner Einschätzung seien die negativen Auswirkungen des Lockdowns in ihrer gesamten Tragweite noch gar nicht sichtbar, weshalb die befragten Unternehmen im Mittel eine zu optimistische Einschätzung abgegeben haben dürften.
Auch die Annahme, dass eine Insolvenzwelle ausbleibt, teilt Herr Wiesholler nicht. Derzeit ist die Insolvenzantragspflicht bis Ende September ausgesetzt. Schon jetzt dürfte es eine Vielzahl von faktisch insolventen Unternehmen geben, die aber nicht gemeldet und somit noch nicht erkennbar sind. Hier ticke eine Zeitbombe, so Wiesholler, bei deren Explosion eine Vielzahl weiterer Unternehmen in die Insolvenz mitgerissen werden dürften.